Qigong

Dichter der Tang-Dynastie (618-907)

übersetzt von Árpád Romándy

Qian Qi 錢起 (710-782)

题崔逸人山亭

藥徑深紅蘚
山窗滿翠微
羨君花下酒
蝴蝶夢中飛

Am Bergpavillion des Eremiten Cui

Der Weg durch die Kräuter überwachsen von rotem Moos,
grünblaue Jade füllt das Fenster zu den Bergen .
Ich beneide dich, trunken vom Wein unter den Blüten.
Ein Schmetterling flattert durch deinen Traum.


Zhang Ji 張繼 (? -780)

楓橋夜泊

月落烏啼霜滿天
江楓漁火對愁眠
姑蘇城外寒山寺
夜半鐘聲到客船

Nächtliches Ankern an der Ahornbrücke

Der Mond sinkt, Raben schreien, Frost bedeckt den Himmel.
Lichter der Fischer unter dem Ahorn am Fluss, bang ist mein Schlaf.
Jenseits der Mauern von Gusu, vom Tempel des Kalten Berges,
tönt in der Mitte der Nacht eine Glocke zu des Reisenden Boot.


Li Bai 李白 (701-762)

訪戴天山道士不遇

犬吠水聲中
桃花帶露濃
樹深時見鹿
溪午不聞鐘
野竹分青靄
飛泉掛碧峰
無人知所去
愁倚兩三松

Ich suche den Daoisten vom Daitian-Gebirge, doch treffe ihn nicht an

Hundegebell inmitten murmelnden Wassers,
Pfirsichblüten von Tautropfen schwer.
Tiefe Wälder, von Zeit zu Zeit ein Reh,
zu mittags am Bach ist keine Glocke zu hören.
Wilder Bambus teilt grüne Nebel,
fliegende Quellen hängen von jadenen Gipfeln.
Niemand weiß, wohin er gegangen,
unter zwei, drei Kiefern verweile ich betrübt.


 Wang Wei 王維 (~700-760)

山居秋暝

空山新雨後
天氣晚來秋
明月松間照
清泉石上流
竹喧歸浣女
蓮動下漁舟
隨意春芳歇
王孫自可留

Abenddämmerung in herbstlichen Bergen

Leere Berge, nach dem neuen Regen
ist die Abendluft kühl. Der Herbst ist gekommen.
Hell scheint der Mond in den Kiefern,
klar rinnt das Wasser über die Felsen.
Gelächter im Bambus – Wäscherinnen kehren heim,
schwankender Lotos – ein Fischerboot treibt flussab.
Sind auch des Frühlings Düfte zu Ende,
ist hier doch eines hohen Einsiedlers Bleibe!


過香積寺

不知香積寺
數裡入雲峰
古木無人徑
深山何處鐘
泉聲咽危石
日色冷青松
薄暮空潭曲
安禪製毒龍

Auf Besuch im Tempel des Versammelten Duftes

Wo befindet sich der Tempel des Versammelten Duftes?
Viele Meilen entfernt, unter wolkenverhangenen Gipfeln.
Menschenleere Pfade führen durch alte Wälder, ,
tief im Gebirge ertönt eine Glocke, woher?
Inmitten schroffer Felsen schluchzen die Bäche,
über grünen Kiefern scheint kalt die Sonne.
Zu Einbruch des Abends, an des stillen Teichs Biegung:
friedvolle Versenkung, die den giftigen Drachen bezwingt.


秋思

网轩凉吹动轻衣
夜听更长玉漏稀
月度天河光转湿
鹊惊秋树叶频飞

Herbstgedanken

Kühl weht die Brise vom Gitterfenster. Meine dünnen Kleider flattern.
Endlos ist die Nacht, still im spärlichen Tropfen der Wasseruhr.
Feuchter schimmernd quert der Mond den Himmelsstrom.
Eine Elster schreckt hoch vom herbstlichen Baum. Blätter stieben und fallen.


夏日過青龍寺謁操禪師

龍鍾一老翁
徐步謁禪宮
欲問義心義
遙知空病空
山河天眼裏
世界法身中
莫怪銷炎熱
能生大地風

An einem Sommertag Zen-Meister Cao im Tempel des Grünen Drachens besuchend

Ein betagter Mann, hinfällig und schwach,
begebe ich mich langsamen Schrittes zum Tempel,
um Unterweisung zu bitten bezüglich des Zweifels.
Vage weiß ich: selbst die Krankheit der Leere ist leer.
In Buddhas allsehendem Auge: Flüsse und Berge,
inmitten des Körpers der Wahrheit: die Welt.
Sei nicht überrascht, wenn die Bruthitze schwindet
und kühlender Wind sich erhebt über dem Land.


答裴迪

淼淼寒流廣
蒼蒼秋雨晦
君問終南山
心知白雲外

Als Antwort an Pei Di

Mächtig strömt der kalte Fluss in die Weite,
trüb der Herbst, endlos Nebel und Regen.
Den Zhongnan-Bergen gilt deine Frage:
mein Herz weiß sie jenseits der weißen Wolken.


輞川閒居贈裴秀才迪

寒山轉蒼翠
秋水日潺湲
倚杖柴門外
臨風聽暮蟬
渡頭餘落日
狂歌五柳前

Beschaulich die Zeit am Wang1 verbringend, als Geschenk für Pei Di, den Gelehrten

Von dunklerem Grün sind nun die kalten Berge
und täglich langsamer fließt der herbstliche Fluss.
Auf einen Stock gestützt, vor meinem Gatter,
lausche ich den Zikaden im Abendwind.
Letzte Strahlen der Sonne berühren den Steg,
einsamer Rauch steigt auf über dem Weiler.
Betrunken bist du, wie vormals Jie Yu2,
wild singend vor den Fünf Weiden3.

  1. Wang Wei’s Landsitz befand sich am Wang, einem Fluß südlich der Hauptstadt Chang’an am Fuß der Zhongnan-Berge
  2. Jie Yu, der Verrückte von Chu, wird in den Analekten des Konfuzius erwähnt, wo er diesen verspottet: Oh Phönix, oh Phönix, dahin ist deine Tugend! Nicht geändert werden kann die Vergangenheit, doch hüte dich vor der Zukunft! Zu Ende, zu Ende! Des Verderbens, wer sich heute den Staatsgeschäften widmet.
  3. Der Herr von den Fünf Weiden war der Dichter Tao Yuanming, der seinen Bamtenposten niederlegte, sich aufs Land zurückzog und, in Armut, sein Leben nur mehr dem Wein und der Poesie widmete.

酬張少府

晚年惟好靜
萬事不關心
自顧無長策
空知返舊林
松風吹解帶
山月照彈琴
君問窮通理
漁歌入浦深

Als Antwort an Vize-Präfekt Zhang

In meinem Alter liebe ich nur mehr die Stille,
die Dinge der Welt, sie kümmern mich nicht mehr.
Kein Gelingen war meinen Plänen beschieden,
bloß heimzukehren blieb mir in die alten Wälder.
Durch die Kiefern weht der Wind und löst meinen Gürtel,
der Mond über dem Berg scheint dem Spiel meiner Qin.
Du fragst nach den Gründen für Erfolg und Versagen?
Das Lied des Fischers tönt weit über das Ufer.


Liu Changqing 劉長卿 (~709-785)

南溪常山道人隱居

一路經行處莓苔見履痕
白雲依靜渚春草閉閑門
過雨看松色隨山到水源
溪花與禅意相對亦忘言

Auf der Suche nach der Einsiedelei des Daoisten Chang Shan am Südbach

Entlang des ganzen Weges
finden sich Fußspuren im Moos.
Über der stillen Sandbank hängen weiße Wolken,
Frühlingsgräser wuchern um das verlassene Tor.
Grüner glänzen die Pinien nach dem Regen,
bis zu des Wassers Quelle wandre ich bergauf.
Die Blumen am Bach und der Geist des Zen:
angesichts ihrer werden die Worte vergessen.


Sikong Shu 司空曙 (~720–790)

江村即事

釣罷歸來不繫舟
江村月落正堪眠
縱然一夜風吹去
只在蘆花淺水邊

Improvisation über das Dorf am Fluss

Vom Fischen heimgekehrt, lasse ich mein Boot unvertäut.
Tief steht der Mond über dem Dorf am Fluss, unbesorgt schlafe ich ein.
Mag auch der Wind die ganze Nacht wehen,
das Boot wird doch bleiben, im seichten Wasser inmitten des blühenden Schilfs.


Wei Yingwu 韋應物 (ca. 737–779)

寄全椒山中道士

今朝郡齋冷
忽念山中客
澗底束荊薪
歸來煮白石
欲持一瓢酒
遠慰風雨夕
落葉滿空山
何處尋行跡

An einen taoistischen Meister in den Quanjiao-Bergen

Kalt ist mein Amtszimmer heute geworden,
da denke ich an meinen Freund in den Bergen,
Feuerholz sammelnd an den Bächen,
ein Mahl aus weißen Steinen1 bereitend.
Ich wünschte, ich könnte ihm einen Krug Wein senden,
als fernen Trost an diesem stürmischen Abend.
Doch Laub bedeckt die einsamen Hänge,
seine Schrittspuren sind nirgends zu finden.

  1. Der Legende nach dienen weiße Steine den Unsterblichen zur Mahlzeit.

Bai Juyi 白居易 (772-846)

兩碗茶

食罷一覺睡
起來兩碗茶
舉頭看日影
已復西南斜
樂人惜日促
憂人厭年賒
無憂無樂者
長短任生涯

Zwei Schalen Tee

Ein kurzer Schlummer nach dem Mahl,
nach dem Erwachen zwei Schalen Tee.
Ein Blick auf die schräge Sonne zeigt,
der Tag neigt sich seinem Ende zu.
Den Frohgestimmten dauert die Kürze der Tage,
den Traurigen plagt die Länge der Jahre;
wer jedoch frei von Freude und Trauer,
gibt sich zufrieden mit des Lebens Lauf.


© Árpád Romándy